Dienstag, 23. März 2010

Nun'Sense

Nun wird es hier eine neue Sparte geben. Ein Neues Testament. Über meine vier Jahre in der katholischen Klostervolksschule. Nicht, weil es gerade so massiv Thema in den Medien ist. Nicht, weil gerade alle über einen Skandal oder zwei angewidert sind. Sondern weil ich schon seit Jahren und Jahrzehnten dahingrüble, ob und wie ich darüber berichten soll. Und ob ich überhaupt darüber berichten soll. Ob es jemand etwas bringt. Ob es mir etwas bringt. Oder ob ich weiter jedes verinnerlichte Detail reflektieren und analysieren soll, im Inneren, nur für mich, gemeinsam als Erwachsene mit meinem inneren Kind.
Wahrscheinlich war bislang daran hinderlich, dass es damals nichts, bzw. eher noch zusätzlichen Ärger, gebracht hätte, hätte ich mit meinen Eltern darüber gesprochen. Mit den Mitschülerinnen damals darüber zu sprechen wäre nicht in Frage gekommen. Warum, wird sich in den Erzählungen herausstellen.
Missbraucht und misshandelt wurden wir nicht physisch. Zumindest nicht in der Form, die diese Tage diskutiert und aufgezeigt wird (aufgezeigt, denn bekannt waren diese Um- und Zustände doch schon seit Jahrzehnten, seien wir uns doch ehrlich). Dafür auf einer psychischen Ebene.

Eine kürzlich wiedergefundene ehemalige Mitschülerin meinte auf meine Andeutungen dass die Volksschulzeit verdrängungswürdig gewesen sei:
Hab den Namen E. (die Strengeste der Schwestern, und unsere Erzieherin, Anm.) vergessen, verdrängt, oder hatte immer einen anderen in Erinnerung. Egal, auch ich merke, wie sehr mich dieses "Mädchenklosterinternat'" geprägt hat. Versuche auch manchmal die Vorteile zu sehen. Schließlich haben wir eine Menge an Disziplin, im Sinne von Konsequenz, mitbekommen. Und auch die Stärke, uns in unserer Individualität von zuviel Strenge von außen nicht von uns und unserem Weg abbringen zu lassen, was uns schließlich stärkt.

Das wiederum lässt mich, wie so oft seit jener Zeit, nachdenken, ob nur ich es als so schlimm und traumatisierend erlebt habe, ob ich vielleicht sensibler reagiert habe als die Mitschülerinnen. Dass ich vielleicht nicht so ein Drama daraus machen soll.
Aber vielleicht haben die (Kloster)Schwestern ja damit gerechnet: Dass sich die meisten Kinder in dem Alter später nicht mehr so gut erinnern werden können. Oder dass sie es für normal und angebracht halten. Weil man Erwachsenen zu glauben und zu folgen = zu gehorchen hat. Weil man es selber noch nicht besser weiß und das Vertrauen hat, dass die Erwachsenen das Richtige tun, das Notwendige tun. Zudem war das, worüber jede pädagogisch ausgebildete Person die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und jeder Elter wutentbrannt auf dem Tapet stehen würde, wahrscheinlich die Art von Erziehung, die die Schwestern damals kannten und ernsthaft für richtig hielten. Später wurde mir einiges klar: Wer Ende der 1970er/Anfang der 1980er eine alte Frau war, musste um die Jahrhundertwende/in den 1920er Jahren geboren worden sein. Zwischen den Kriegen aufgewachsen. Unter Nazis erzogen. Den Krieg miterlebt. Wahrscheinlich den Mann verloren. Wahrscheinlich was von den Alliierten abbekommen. Wahrscheinlich deswegen später ins Kloster gezogen. Das Weltliche verabscheuend. Und die Kinder, denen Ähnliches nicht widerfahren ist. Wahrscheinlich. Darum. Die Härte. Die Kälte. Vielleicht sollte ich es aufschreiben ohne zwei mal nachzudenken "ob ich das denn so sagen darf" um es dann wieder ängstlich, eingeschüchtert und mich selbst nicht so wichtig nehmen dürfend zu verwerfen: Die Grausamkeit.

Wer darüber lieber nichts wissen will, liest besser nicht die "Heilige Schrift". Denn da hinein werde ich ab jetzt endlich niederzuschreiben versuchen, was als Schwebstoffe in meinem Kopf umherwirbelt. Fragmentarisch, spontan, vielleicht unzusammenhängend. Jede Menge Nun'Sense.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lass es raus und schreib darüber, es beschäftigt alle, die in dieser Klasse waren und alle, die jemals diese Schwestern als Lehrerin oder Erzieherin "genossen" haben. Darf ich den Link zu Deinem Blog in meiner Facebooknachricht posten? Es sollen auch andere Leute erfahren, die immer darüber lächeln, wenn ich davon erzähle

© hat gesagt…

Ganz entgegen der damals verwendeten Sprüche: Natürlich darfst du! :)

Je mehr bestätigen dass es wirklich so war, desto mehreren wird vielleicht das Lächeln vergehen, und desto bestätigter fühlt man sich in den eigenen Erinnerungen...
Wobei mir da ohnehin niemand herumradieren kann. Weil ich weiß mit Sicherheit: So war es, und so ist es wahr.

Anonym hat gesagt…

also ich wurde von den schwestern auch physisch misshandelt-ich deke kotze essen und mit den handknöcheln auf die stirn geschlagen bekommen (hat echt verdammt wehgetan wars nur schon gewohnt)wenn die hausübung nicht passt-oder .....
ich habe glaub ich den rest verdrängt -würde sagen wir sind massiv psychisch und physisch misshandelt worden!!!!

Anonym hat gesagt…

wollten nur mal nachfragen wie ich mit leuten umgehen soll die mir ganz stolz erzählen sie werden ihre kinder in diese schule geben????wenn ich dann versuche zu erzählen wie es dort war werde ich nur etwas seltsam angesehen und belächelt(hat wohl ne blühende fantasie!!!)oh so schlimm kann das ja nicht gewesen sein-ausserdem haben wir uns diese schule angesehen und heute ist es ja bestimmt nicht mehre so!!!(ist das die wahrheit???)

© hat gesagt…

Die Fingerknöchel auf der Stirn!!! Wie konnte ich das verdrängen.

Wie es dort heute ist... ich denk, das ginge heutzutage nicht mehr durch. Man darf ja auch nicht vergessen, aus welcher Generation die Schwestern gekommen sind. Und wie unsere Elterngeneration erzogen wurde. Und was das Wort eines Kindes mittlerweile zählt.

Ich bin gespannt, was eine Therapeutin demnächst bei mir noch alles aufdecken wird.