Dienstag, 22. März 2011

Für's Protokoll.

Das Kind schnitt sich heute das erste Mal selbst die Zehennägel; auf eigenen ausdrücklichen Wunsch.

Ein kleiner Schnitt in den Zehennagel, ein großer Schritt in Richtung Selbständigkeit.

Montag, 21. März 2011

Sag mir was du gerade liest

– und ich weiß wie du zur Zeit tickst.

Nachdem mir eine Arbeitskollegin zur Weihnachtswichtelei ein Buch geschenkt hat, und ich aus Prinzip lese was ich bekomme, da man auf diese Weise auch an Einflüsse und Lesestoffinspirationen kommt die man sonst nicht in Erwägung gezogen hätte (und in diesem Fall hätte ich das Buch sicher nicht aus eigenem Willen heraus angedacht oder gar gekauft), und dieses Buch zwar ein ziemlicher Schmöker aber aufgrund seiner Story (und diesen Begriff darf man in diesem Literaturgenre getrost verwenden) und seiner doch leicht flüssig zu lesenden Schreibart ein durchaus rasant zu bewältigender Ziegel (in Anlehnung an Father Jack, wobei ich nicht mit einstimme, "I love my brick!") ist, ist mein Wahrnehmungshintergrund zur Zeit zugleich paranoid-alarmiert geschärft, als auch ein wenig hartgesotten (ohne abgestumpft zu sein).
Beim ersten Anblick dachte ich mir, Oh wei, so dick zu diesem Preis – und Bastei Lübbe (ich hege ein schlimmes Schubladenvorurteil gegenüber Taschenbüchern aus diesem Verlag!).Und doch begann ich es zu lesen und hatte es (unerstaunlicherweise, wie ich schrieb – Bastei Lübbe) in relativ kurzer Zeit "erledigt". Ein Buch, das doch so geschrieben ist, dass man Acht darauf gibt, sich nicht unabsichtlich in der Zeile zu verschauen und schon einen Satz weiter zu lesen. Um sich selbst nicht etwas vorweg zu nehmen.
Glück hatte die Geschichte, dass sie auf Psychologisierereien fußt. Und damit kriegt man mich leicht(er). Blood&Gore allein ist mir zu abgeschmackt. Und zum Glück wurde auf einen unnötigen Aufpeppungsversuch per eingequetschter Romanze verzichtet.
Welches Buch das denn nun sei?
"Die Blutlinie", von Cody McFadyen.
Ja, genau. Nie hätte ich es mir gekauft.
Wie beim Essen ziehe ich beim Lesen einerseits Hochqualitatives vor, bin andererseits aber auch leicht zu bedienen.
Und nun stelle man sich vor, ich fand bei meiner routinemäßigen Stöberei in der Reduziertenkiste der bekannten Papier- und Buchverkaufskette das Nachfolgebuch. Kilopreis ein Euro, würde ich sagen. Nein, ich bin nicht auf den Geschmack von Blut gekommen (nie-nie-niemals würde ich mir diese "Bis zum Abwinken"-Schinken antun), aber so dünn(flüssig) wie befürchtet war das Buch dann gar nicht.
Auch wenn ich schon vor der Zeit einen schweren Verdacht hatte auf wen es tatgeschichtlich letztlich hinauslaufen würde – was mich ein wenig frustriert hat. (Ich hielt mir schon anno dazumal Augen und Ohren zu beim Columbo-Schauen, als in der Anfangsszene gleich gezeigt wurde wer "es" denn gewesen war.)
So absolvierte ich nun also auch gleich den "Todeskünstler" (sind das nicht absolut flache, abgeschmackte, schubladenwürdige Buchtitel?!?).
Mein Kopfhintergrund die letzten Tage und Wöchelchen waren also leicht gefärbt von den Geschichten blutspritzender und -vergießender krankköpfiger Psychopathen sowie der Erinnerung an vor dem inneren Auge aufgezogene Bilder aufs Wüstete verunstalteter Menschenkörper und deren Umfelder.

Auf dem Buchrücken der "Blutlinie" dick zitiert: "Wenn Ihnen dieses Buch keine Angst macht, sollten Sie Ihren Arzt aufsuchen."
Nun begab es sich aber, dass ich just zu dieser Lesezeit eine zwei volle Tage lang dauernde Ersthelferausbildung zu absolvieren (bzw. aufzufrischen) hatte. Blood&Gore Galore. Da war ich ja geradezu richtig eingestimmt. Ich zog (schein)bewusstlose KurskollegInnen mit einer Überzeugung aus Autos oder zog Motorradhelme von ihren pseudokonkussierten instabilen Schädeln; ich herzmassierte und beatmete die lebensnahe Gummipuppe mit einer Ernsthaftigkeit, als wäre ich davon überzeugt sie wieder erwecken zu können. Am nächsten Tag hatte ich Muskelkater an Bauch und Oberschenkeln.
Und in der Realität? Wäre es in der Praxis alles nur Theorie und ich ein Häufchen Hilf- und Mutlosigkeit?
Nein.
Ich bin die Blutungsstillerin. Die Spinnenentfernerin. Die Kotzewegwischerin. Die es nicht graust, würgt oder schüttelt.
Ich hatte keine Angst beim Lesen des Buches – oder danach. Ich hatte keine Albträume, legte es nicht halbgelesen für immer zur Seite, schreckte nicht beim sachtesten Geräusch erstickt-schreiend auf. Ich bin allerdings auch kein gefühlskaltes, verhaltens- oder empfindungsgestörtes Psychozombiemonster das den Arzt aufsuchen sollte. Ich bin nur, wenn's drauf ankommt, Realist. Warum sollte mich Blut nervös machen – nur wenn es sich außerhalb von unter der Haut zeigt. Warum sollte ich Panik vor Spinnen haben – wenn ich ihnen lebensbedrohlicher sein könnte als sie mir. Warum sollte ich mich vor Erbrochenem ekeln – nur weil es Nahrungsmittel sind die ein wenig durchgemischt wurden.

Was mich allerdings anwidert und mein Blut in Wallung bringt, sind Finanzreportagen und -kommentare über die "große Angst und Gefährdung der Investoren aufgrund des durch die Japan-Krise beeinträchtigten Nikkei-Index". Ja, die müssen jetzt große Angst haben, die Investoren. Der Index fiel schließlich um 11 %.
Wer vornehmlich in -solchen- Dimensionen denkt, macht mir in der Tat Angst.

Donnerstag, 17. März 2011

Wir drehen eine Runde Mitleid

Und sogleich gehe ich in Medias Res.
Wer bestürzt ist über jemand Anderens Schicksal, ist in Wahrheit nur in Angst über/um seine eigene Existenz. Der pure Egoismus.
Denn meiner An- und Einsicht nach ist das durchschnittliche menschliche Mitgefühl verwechselnd ähnlich dem Selbstmitleid. Automatisch wird das was Anderen zustößt auf das eigene Leben projiziert. Wir stellen uns im selben Augenblick vor, es würde uns selbst geschehen. Und leiden mit. Uns selbst.
Brutalitäten und Katastrophen – wir sehen uns selbst, unsere Familie, unsere engste Umwelt. Das wollen wir nicht am eigenen Leib erleben.
Wie das Engagement im Umweltschutz. Wer lebt denn in dieser Umwelt die nicht verändert, besonders zum (für uns) Negativen, werden soll? Exakt: Wir selbst.
Wir wollen keine Drecksluft atmen. Wir wollen nicht auf Müllbergen sitzen. Wir wollen was Feines schnabulieren. Und keine Schmerzen haben. Und ewig leben. Und unsere Familie und Freunde auch. Weil, ohne sie wären wir alleine.
Wir finden schrecklich, was Anderen widerfährt. Weil wir Angst bekommen, es könne uns selbst zustoßen. Wir gehen, (selbst)verständlicherweise, direkt von uns selbst aus. Wir münzen unterschwellig alles auf uns selbst – und unsere Lebensbedingungen.
Da sind wir extrem egoistisch.
Und dieses Phänomen geht Hand in Hand mit seiner Schattenseite: Dem grünen Gras auf der anderen Seite. Dem Neid gegenüber all dem, was besser scheint als was wir selber haben und bekommen. Dem, womit Andere "durchkommen", während wir selbst schändlich bestraft würden.
Der Mensch ist und bleibt ein Säugetier. Mit all seinen Instinkten.