Samstag, 27. Oktober 2012

Andere Bloggen

In meiner Linkliste gibt es eine Reihe verschiedener Blogs, die ich regelmäßig lese, wie man Magazine liest oder Fernsehserien anschaut. Entdecke ich einen neuen Blog der mich interessiert, lese ich zuerst einmal die ersten paar neueren Seiten, und ist mein Interesse dann verstärkt erweckt, arbeite ich mich chronologisch von ganz von Anfang an zur "Gegenwart" durch. Denn meist sind es Blogs von (Familien)Menschen, deren Blog im Hintergrund eine Geschichte erzählt. Eine Entstehungsgeschichte. Eine Entwicklungsgeschichte. Ohne dieser chronologischen Lektüre gingen mir Hintergrundinformationen verloren, kennte ich mich nicht vollkommen aus.

Manche dieser Blogs fliegen nach einiger Zeit wieder aus meiner Linkliste raus. Entweder der Funke ist nach vielen Jahren des Bloggens erstorben und es kommen einfach irgendwann immer weniger bis schließlich gar keine Beiträge mehr. Oder aber, und das geschieht in der letzten Zeit leider gar nicht so selten, bzw. beobachte ich fast schon einen Trend in diese Richtung, verkehrt sich der Inhalt des Blogs von 1. ich schreibe auf was mich beschäftigt, 2. ich möchte Andere daran teilhaben lassen, 3. ich schreibe was Andere interessiert, zu 4. mein Blog ist meine Werbeplattform. Besonders in den US-Blogs beobachte ich eine enttäuschende Vermarktungswelle.

Dazu sollte ich vielleicht ein bisschen auf die Kategorien eingehen, aus denen meine Linkliste betreffend Blogs teils besteht.

Da wären einerseits die "Handarbeits"-Blogs, in denen gezeigt und geschrieben wird, was (hauptsächlich) frau soeben gestrickt/genäht/gewerkt hat. Oder was gerade im Werden ist. Großartige Inspirationen gibt es da, hilfreiche Hinweise und Ideen, und tolle Dinge zu bewundern. (Zumeist sind es keine reinen Handarbeitsthemen, denn, und das ist meiner Ansicht nach das Spannende und Verbindende, die zumeist Damen haben natürlich selbst auch noch eine ganze Menge anderer Themen im Kopf, die ihr Leben und Denken bestimmen und beschäftigen. Und sei es "nur" ihre Familie und was sie alles gemeinsam erleben und meistern.)
Im besten Fall bleibt es auch in dieser Form. Die Fertigkeiten entwickeln sich, neue Projekte enstehen. Neue Inspirationen werden (mit)geteilt.
Und dann "passiert" es: Man entdeckt die Kommerzialisierung. "Meine LeserInnen" bewundern was ich hergestellt habe? Es findet großen Anklang wenn ich erkläre wie ich was gemacht habe? Mein Strickmuster ist beliebt? Jede/r hätte gern so ein Täschchen? Was anfangs noch wie unter Freunden einfach weitergegeben wurde: Jetzt ist es soweit! Man kann jetzt meine Schnittmuster und Anleitungen auch downloaden! Ganz einfach. Aber mit dem Unterschied, dass man jetzt dafür zahlen muss. Wäre ja blöd, wenn man diese Beliebtheit nicht nützte. Vielleicht muss da ohnehin ein Copyright drauf. Und wisst ihr was? Weil meine Fotos auch so schön geworden sind, lasse ich jetzt ein Buch von meinen Werken und Anleitungen drucken. Wer wissen will wie man auch so was machen will, bitte hier der Amazon-Link. Und damit sich die Chose auch bezahlt macht, weise ich gerne immer wieder darauf hin.
Der Inhalt meiner Blogposts sind jetzt meine Buchsignierungsstundendaten. Kommt, kauft mein Buch, und trefft mich in Natura! Übrigens halte ich jetzt Workshops und Kurse ab. Meldet euch rasch an. Freundschaftliche Bloggertreffen sind doch sowas von gestern.

Dann gibt es die Sparte der "Simplifier" und "Unclutterer". Sehr interessante Inspirationen und Tritte in den Allerwertesten, wenn es darum geht, wie man ein wenig Ruhe, Raum und Ordnung in sein physisches Umfeld bringen kann. Und wie ginge es besser, als jemand parallel bei seinem/ihrem persönlichen Projekt zu folgen. Da läuft es dann so: Ich schreibe diesen Blog, damit ich bei meinem Konzept nicht den Faden verliere und meine Ziele nicht aus den Augen verliere. Dann wiederum zeige ich Anderen, was ich tue, und bekomme dadurch Ansporn und Bestätigung. Weiters stecke ich quasi Andere an und sie wollen es mir gleichtun. Und geht es gemeinsam nicht einfacher? Aber dann geht es los: Das Muster wiederholt sich. Neueinsteiger fragen mich um Tipps. Meine Checklisten sind beliebt. Immens viele Leute lesen meinen Blog. Ja, man sieht schon worauf es hinauskommt: Ich werde etwas kostenpflichtig veröffentlichen. Ein Buch oder zwei. Ich erfinde Webinars oder ähnlich, zu denen man entgeltlich Zugang hat und mir via Livestream folgen kann, wie ich über meine Erfahrungen doziere.
Und damit ich auch nicht zu viel von dem Inhalt verrate (sonst braucht ja niemand mehr kostenpflichtig dranzukommen), mache ich den Inhalt meines Blogs nunmehr allein als Werbeinfo auf. Dass ich ganz am Anfang meines Projekts meinte dass ich versuchen will, mit so wenig Dingen und Geldmitteln wie möglich auszukommen, ist jetzt irgendwie aus dem Blickwinkel gerutscht. Statt aus dem Finanzmarkt auszusteigen, steig ich jetzt einfach drüber. Übrigens ziehen wir jetzt doch wieder in ein größeres Haus um, und ich hab gemerkt, das Auto brauch ich wegen der Buchsignierungen und Vorträge doch wieder. PayPal wird akzeptiert, keine Sorge.

Auch die Blogs die über Ernährungskonzepte berichten (Stichwort Paleo), kommerzialisieren sich nach einiger Zeit wie von Zauberhand und schleichend automatisch. BloggerIn schreibt, versucht, berichtet, berät, vermarktet letztendlich. Von "alle die Ratgeber sind doch Geschäftmacherschmarren" zu "hurra, mein Buch erscheint diese Woche".

Kein Wunder also, wenn solche Blogs, die ich seit wirklich geraumer Zeit gerne verfolge, enttäuscht und genervt aus meiner Liste kicke.
Ich will weiter gelungene Fotos bewundern, die auf dem Ausflug/im Urlaub entstanden sind, und keinen Promopost durchscrollen, in dem ein Ebook dazu beworben wird, in dem steht wie man solche Fotos knipsen und bearbeiten kann.
Ich will weiter Strick- und Nähwerke bewundern und mich über "schau mal, so geht das" freuen, und nicht bei einem Link zu einem kostenpflichtigen Ravelry-Muster landen.
Ich will weiter lesen wie jemand in seinem/ihrem Vorhaben weiterkommt und mich darüber freuen wie und wenn es klappt, und nicht angeteast zu einer Registrierung angeleitet werden.

Ist es das, woraus wir scheinbar nicht entkommen können? Ist man dem System gegenüber wirklich so chancenlos? Sind wir alle wirklich, wenn es darauf zurückkommt, doch an unsere Bankkonten gebunden? Können wir nicht einfach etwas aus/ver/teilen, einfach nur so? Ohne finanzielles Profitdenken? Ohne Entgehungsängste? Ist die Freude am Miteinander und Füreinander wirklich nur so kurz wirksam?

Glücklicherweise gibt es noch eine Fülle an Blogs die ich immer noch, immer wieder, und immer lieber lese. Die sich weiterentwickeln, in sich vernetzen, wachsen und reifen. Und das ganz ohne Werbung und Cashflow. Weil es den SchreiberInnen weiterhin einfach ein Bedürfnis ist, zu denken, (sich) zu entwickeln, (mit)zuteilen. Weil sie sich nicht als AuftragschreiberInnen fühlen. Die nach einiger Zeit (und das ist meine wiederholte Beobachtung) überfordert und ausgebrannt ihre Inspiration, ihre Motivation und ihre Lust verloren haben, nur verloren haben können.

Also lieber pleite und froh als erfolgreich und K.O.

Schreibt so weiter wie Ihr seid, liebe Mädels. Ich würde Euch schmerzlich vermissen.
Zwar wisst Ihr garantiert nicht, wen von Euch ich meine, denn wahrscheinlich wisst Ihr gar nicht einmal von der Existenz dieses Labors hier. Aber das ist schon gut so. Börsennotiert sind die Anderen.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Niemands Manifest

Allerorts sprießen die Veröffentlichungen eines gewissen Blogger-Manifests. Was soll ich sagen, ich halte es da ein wenig mit Wittgenstein und laufe nicht unqualifiziert und ungefragt mit (auch wenn ich vollkommen zustimme). Weil ich nicht betroffen bin (bei Ausbleiben von Kommentaren kann auch keine Unart auftreten) und daher meiner Ansicht nach kein Recht habe, den Schnabel aufzureißen. Habe ich nicht persönlich die Erfahrung gemacht, habe ich keine Berechtigung, kann ich nicht ein Banner hochhalten.

Glücklicherweise ist in diesem Fall ein Kelch an mir vorübergegangen. Wie auch in der derzeit regionalen Aufregung um milchstraßenbewegende Änderungen der Kfz-Parkmodalitäten (und ja, ich zwicke täglich meine Lippen aufeinander, um nicht zu viel der sarkastischen Bemerkungen und/oder süffisanter Grinser auskommen zu lassen – meine Geistes- und Körperhaltung motorisierte Fortbewegungsmittel betreffend ist hinlänglich bekannt).

Ich bin der Meinung, mir stehen keine öffentlichen Statements zu etwas zu, was mich nicht zu einer Initialäußerung inspiriert bzw. genötigt hat.
Ein Manifest habe ich in meinem Leben allerdings schon verfasst, vor über 20 Jahren, genannt das Niemands-Manifest.
Doch in welchen Belangen ich ein Niemand bin, kann ich kein Manifest verfassen oder unterzeichnen.