Montag, 30. Dezember 2013

Angenervtsein ist nützlich!

Richtig gelesen: angenervt zu sein ist nützlich. Äußerst produktiv!
Und wann ist man schnell mal grund-genervt? Wenn man nach Weihnachten frei hat und das Wetter düster ist. Man selbst vielleicht auch noch witterungsbedingt angeschlagen. Dieses Angenervtsein lässt sich im Handumdrehn in Produktivität und damit in Satisfaktion umkehren.

Man verbringt mehr Zeit in den eigenen vier Wänden, und so kommen sie ans Tageslicht, die ständig latent und unterschwellig nervenden Dinge. Der quietschende, schnarrende Bürosessel des Mannes. Der Garderobeständer, der einem vermehrt im Weg ist. Man stößt eben häufiger an Dinge, denen man sonst nicht so oft begegnet.
Direkt nach dem Motto, Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt, ist auch reichlich Zeit, jetzt den nervenden Dingen den Garaus zu machen.

Du quietschst? Du wirst geölt. Mit dem Nähmaschinenölfläschchen in der Hand gehe man von Raum zu Raum und testbewege alle (alle!) Lädchen und Scharnierchen, ob sie Geräusche von sich geben. Was nicht still ist, wird still gemacht. Ruhe und Frieden im Haus!

Man ist auf der Suche nach etwas Essbarem? Hat vor den Feiertagen doch nicht genug eingekauft? Es findet sich nichts Adäquates? Variante a: Experimentieren mit dem was da ist, und damit aufbrauchen was sonst noch länger herumsteht. Jetzt hat man ja die Zeit! Und wenn man wirklich absolut keinen Appetit darauf hat, Variante b: wegschmeißen. Vieles wird sich finden, was die Produzenten via timeline ohnehin schon für den Mistkübel abgeschrieben haben.

Der Nachwuchs ist im Bett, man darf so lange aufbleiben wie man will, aber das Fernsehprogramm gibt keine Kurzweil her? Musik aufdrehen (über's Fernsehen werbe- und kommentarfreie Pseudosender, nach Genre sortiert, machen sich besonders fein) und Laden, Ordner, Schachteln, Aufbewahrungskörbe herbeiholen. Und ein paar Mistsackerl. Was damit geschehen soll ist klar. Der Pluspunkt der angenervten Laune: Man trennt sich schneller und leichter von Dingen. Das Jahr ist fast um – aus welchem Jahr ist dieser Beleg? Ich bitte dich...
Aus meinen Augen! Statt diesen Gefühlszustand der Familie entgegenzuschmettern, lässt man ihn besser an unverwendeten Dingen aus.

Lässt man sich allerdings dazu hinreißen, in den Einkaufsstraßen nach Kleidung im Ausverkauf zu schauen, nützt das (besonders auch von solchen, oft frustrierenden, Shoppingtouren multiplizierte) Genervtsein dem eigenen Kleiderschrank (der, so ist es doch, immer eine Entschlackungskur vertragen kann).
Schritt 1: Fetzengeschäfte frequentieren. Nicht unbedingt etwas kaufen. Genervtseinsgefühl bis zu Hause konservieren!
Schritt 2: Zu Hause den eigenen Kleiderschrank mit demselben Blick betrachten. So sieht man viel schneller, was abgetragen ist und einem eigentlich gar nicht (mehr) so gefällt. Hätte ich das grad vorher gekauft? Was springt mir ins Auge, möchte ich anprobieren? Und was nicht? Sind nur mehr passende, schöne Lieblingsstücke übrig? Und wie's hier aussieht! Im Geschäft hätte man pikiert den Kopf geschüttelt. Im Eigenheim ordnet man schnell den Kleiderschrank.

Man kann die Pölster auf dem Sofa schon nicht mehr sehn? Her mit einem neuen oder anderen Bezug. Oder gleich anderen Pölstern. Oder Sofa?

Wie nützlich es ist, wenn man intensiver von Gegenständen genervt wird. Man erkennt sie gleich – und hat auch mehr Ambitionen, sich von ihnen zu trennen bzw. die Situation zu verbessern. Für ToDo-Listen werden erst gar nicht Zeit und Nerven verschwendet.
Nach Vollendung (die meist schneller als gedacht erreicht ist) ist auch Schluss mit dem Angenervtsein. Man ist zufriedener mit den Dingen, und mit sich selbst auch. Man muss nur schauen, dass man seinen stillen Grant channelt. Dann wird alles wieder schöner und besser.

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Es kommt wieder eine Generation ohne Großväter.

Nachdem heuer das erste Weihnachtsfest seit Jahrzehnten vorübergegangen ist, an dem ich keinerlei als Weihnachtskarten getarnte boshafte Psychoterrorpost mehr erhalten haben konnte, konnte ich trotzdem nicht umhin, mein mentales Schmerzgedächtnis zu registrieren, das ein wenig wie ein optisches Nachbild auf der Netzhaut wirkt. Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis es verblasst und ich hunderprozentig freie Sicht ohne Schatten und Echos wiedererhalten habe.

Und angesichts der nebenbei erzählten Histörchen aus dem Alltagsleben mir bekannter Damen wurde mir bewusst, was mir alles entgangen ist, was mir alles gefehlt hat, was mir alles genommen wurde – weil mein Vater kein Vater im klassischen Sinn gewesen war, erst recht nicht im positiven.

Erwachsene junge (und auch nicht mehr gar so blutjunge) Damen, selbst mit einem gleichaltrigen Mann an ihrer Seite, haben, wenn es an etwas Heimwerkendes geht, den Papa an der Seite. Der mit starken, angewitterten Händen die mühseligsten Möbel konstruiert, an der Wohnung bzw. am Haus herumschraubt, mit den professionellsten Werkzeugen aufkreuzt, dem Juniormann Lektionen der perfekten Grillkunst gibt. Der seine Kontakte und Empfehlungen hat, seine männliche Lebenserfahrung und -weisheit einbringt, dem Juniormann schulterklopfend den Rücken stärkt, wenn die Frauenquote überhand nimmt. Oder den Juniormann schon mal ein wenig ins Abseits dirigiert und unterhält, damit die Damenrunde ohne schlechten Gewissens einfach nur Damengezwitscher ablassen kann.
Ein Papa, unter dessen Schutzschirm man sich stellen kann, der immer was Nützliches aus dem Ärmel zaubert. Der als höhere Instanz auf den Tisch haut, wenn man sich selbst nicht sicher ist.

Jetzt stelle man sich das Gegenteil davon vor. Zumindest die ständige Absenz.

Kein Wunder, dass also sowohl meine Mutter als auch ich keine Scheu vorm Handwerken haben. Die Rolle des Manns im Hause übernehmen. Was den Juniormann manchmal etwas in seiner Männerrolle frustriert. Und die Frau in ihrem abstrakten Allesmussichselbsertunsonsttutskeiner ständig am Wasserstrudel entlangrudert. Dass man sich nicht erlaubt, mal machen zu lassen, mal nicht immer die Stärkste sein zu müssen. Sich nicht selbst schützen und verteidigen zu müssen. Weil man weiß dass es sonst keiner tut.
Das hatte ich nicht, das wurde mir verwehrt, die Rolle musste ich mir selbst überziehen. Und bin diese Rolle so gewohnt, dass es mir fast unangenehm ist, sie ab und zu abzulegen. Was man denn nicht alles an sein Umfeld weitergibt, auch wenn es sie überhaupt nicht betroffen hat, und sie davon gar nicht betroffen sein dürfen sollen.

Und so fehlt natürlich auch der klassische Großvater. Der mittlerweile gütig-geduldig gewordene Opa. Der freche Scherze macht, gegen die Frauenriege der Familie steht. Bei dem Strenge und Donnerwetter nur mehr walten, um die jüngste Generation zu verteidigen. Der zu einem steht, wenn der Rest der Familie meckert.
Ich vermisse meinen Opa immer noch. Sehr. Von mir aus hätte ich ihn noch öfter, noch länger haben wollen. Hätte er erreichbarer von mir gewohnt, er hätte mir vor langer Zeit wahrscheinlich helfen können.

Und so ein Großvater fehlt jetzt natürlich, siehe oben, der neuen Generation komplett. Ist nicht einmal ansatzweise verfügbar. So ist es aber wahrscheinlich in vielen Familien, wird es vielen Generationen so gehen. Mit Patchworkfamilien hat sich alles geändert. Mit Vätern, die sich plötzlich den Kindern entziehen und sich keinen Deut um ihren Nachwuchs scheren, gibt es später auch keine Opas, die sich für ihre Kindeskinder interessieren. Die Rolle der alleinübernehmenden Mutter hat sich schon jetzt auf die der alleinübernehmenden Großmutter ausgeweitet. Die jetzigen Väter, ohne permanente und konstante Schwiegerväter, bekommen auch nicht im Bedarfsfall den Kopf geradegerichtet, so von Mann zu Mann. Unsere Söhne werden hauptsächlich von Frauen erzogen, bekommen Väter oft nur mehr verstörend vorgelebt.
Aber welcher Mann will sich das schon umbinden – Leih-Opa zu sein.
Wir brauchen mehr Männer. "Echte" Männer. Keine Burschen. Bitte mich nicht als anti-feministisch oder konservativ misszuverstehen. Ich bin bloß der Ansicht, dass Frauen nicht alles auf einmal (tun) können. Wir können auch nicht alle auf einmal sein. Es ist nicht dasselbe. Nur Mütter können Mütter sein, und nur Väter Väter. Wenn andere Konstellationen funktionieren, wunderbar. Auch bei gleichgeschlechtlichen Eltern sind die "Rollen" aufgeteilt. Doch einer kann nicht alle.

Ich habe kein Lösungskonzept für diese Entwicklung. Ich kann auch meinen Sohn nicht hunderprozentig dazu erziehen, später einmal ein Guter Vater zu sein. Ich muss mich aber dabei zurückhalten, alle Rollen selber spielen zu wollen/müssen, denn das zieht Kreise. Und nimmt mich aus meinem Mittelpunkt. Dann stehe ich neben mir, und kann kein Fixpunkt mehr sein, weder für mich selbst noch für Andere. Und darauf fußen Schwierigkeiten, mit denen nicht so wenige Menschen und Familienstöcke zu kämpfen haben.
Ihr könnt nur ihr selbst sein. Ihr könnt keine weitere, andere Rolle ersetzen, weil ihr selbst unersetzbar seid.

Dienstag, 24. Dezember 2013

Alliiertes Trenddekoelement

(Mutet ziemlich weihnachtlich an, mein optisch finnischer Eintragstitel!)
Schon sind wir beim Thema: Länder. Und deren Fahnen und Banner.

Immer wieder kommt in Wellen der Trend, ob indie oder kommerziell, sich und seine Wohnumgebung mit Fahnen anderer Länder zu dekorieren. Besonders auffällig: Die Fahnen der englischsprachigen Besatzungsländer nach dem 2. Weltkrieg. Ich muss hier keine Beispielslinks oder -bilder einfügen; es begegnet einem an allen Ecken und Enden, wie man den Union Jack auf seinem Couchtisch platziert, auf seinen Star Spangled Badezimmerteppich tritt, seine Handtasche/seine Geldbörse/sein Pyjama/sein Schnäuztüchl etc.pp. den Alliierten übergibt.

Interessant zu sehen, welche Fahnen als trendy gelten, und welche Schubladen sich da auftun. Die Deutschland-Fahne als Fleecedeckenüberwurf? Nicht trendy, außer man ist nördlicherer Fußballfan.
Die Österreichfahne als Bettwäsche? Hat etwas leicht Reaktionäres. Jamaika- oder Südstaatenfahne haben ihre ganz eigenen Aussagen, und die UdSSR kommen wieder aus einem anderen Eck. Südamerikanische Banner signalisieren wiederum ein ihnen zugesprochenes Lebensgefühl.

Wie wär's also mit Handtüchern mit der z. B. Vatikanfahne? Oder einem Taschenkalender mit der schottischen Fahne? Scheinbar sind rot-weiß-blau die In-Farben, wenn es um Fahnen geht. Warum also nicht Belgien oder die Niederlande? Wie wär's denn gar mit Thailand oder Samoa?
Und wenn die Schweizerfahne so apart ist – warum dann nicht gleich Georgien?

"Soll" man Landesfahnen überhaupt als Deko-Element nutzen? Oder nur "hissen", wenn man historisch und/oder ideologisch mit dem Staat zu tun hat?
Um den Gedanken weiterzuspinnen, erinnere ich mich mit leichtem Grausen an den 80er-Trend, sich und seine Umgebung mit Firmenlogos zu schmücken – insbesondere dem eines amerikanischen Getränkeherstellers.

Ich sage, wenn schon, dann lieber besonders individuell und kreativ. Papua-Neuguinea wär doch eine voll trendige Bettwäsche. Swasiland der perfekte Bodenteppich. Guyana das voll coole Shirt. Botswana oder Estland als Vorlage, seine Wände zu streichen?

Fahnendesigns sind unbestritten eine Inspirationsquelle (diese Idee hatten auch die Macher von "Project Runway", auch wenn die Umsetzung meines Erachtens etwas unbegeisternd war.). Ihren Hintergrund, ihre Bedeutung aber so unter den Tisch fallen zu lassen, dass man sie eins zu eins einfach auf Untersetzer druckt, finde ich den Staatsangehörigen und der Geschichte des Landes gegenüber allerdings etwas gedanken- und respektlos.