Samstag, 17. Mai 2014

Live and let LifeBall

Oder: Wie sag ich's meinem Kinde.
Oder: Anlächeln statt wegschauen.

Anlässlich des diesjährigen LifeBalls wurden die neuen Plakate diesbezüglich präsentiert und affichiert, und schon regt sich das nach Tomchitas SongContest-Sieg angeblich so tolerante Österreich ja doch noch aus dem Innersten heraus: Das Sujet wäre unmöglich, begründende Ausrede: Warum muss mein Kind so was sehen, bzw., Was soll ich da meinem Kind sagen, wenn es das sieht.
Eine Frau mit Bart, oder ein Mann in Frauenkleidern, ach da sind wir ja (mittlerweile) eh so locker damit (plötzlich, angeblich), aber sowas geht doch wirklich absolut nicht. So sehr nicht, dass eine Frau den Zwang verspürt, nächtens, mit der Sprühdose bewaffnet, umherzuschleichen und der Sujetfigur ein dezentes Röckchen aufzumalen. Ein Röckchen, aber kein Hemdchen, wohlgemerkt, denn das Anstößige an dem Zwitterwesen muss eindeutig der Penis sein; ein barer Busen ist auf Werbeplakaten ja ganz in Ordnung. Hat da jemand Angst vor männlichen Geschlechtsteilen? "Ich kann halt nicht anders", wird die Frau zu sagen zitiert. Und dass sie das ihrem Kinde nicht zumuten möchte, nein, nicht kann.
Solcherart Stimmen wurden so einige vernommen: Wie kommt mein Kind dazu. Interessanterweise hab ich noch kein Kind selbst gehört, das sich beklagt hätte.

Sind es nicht doch immer eigentlich die Erwachsenen, die das Problem haben, und nicht die Kinder, die als Ausrede der eigenen Befindlichkeiten vorgeschoben werden?
Sind es nicht die Kinder, die "andere" Menschen eher offen anschauen und anlächeln, als die Erwachsenen, die verschämt wegsehen und tun als hätten sie nichts bemerkt. Denen die kindliche Frage, warum der Mann denn im Rollstuhl sitzt, oder warum die Dame so dunkle Haut hat, unangenehmer ist als ihre eigene Verklemmtheit, einfach aufzuklären. Als wären Erklärungen Beleidigungen? Als wäre totzuschweigen ein eleganter Zug? Eltern und Erwachsene, die sich mehr Sorgen machen und sich um Themen wie Patchwork und Tod winden, im Gegensatz zu Kindern, die noch mehr ungestriegelten Verstand zu besitzen scheinen?

Dieses Pseudo-Getue um z. B. Erik Schinegger, vor ewigen Zeiten Skifahrerin: Nach der Geburt zum Mädchen erklärt, später als Mann revidiert. Damals Skandal, später Futter für Schaulustige, und heute Liebling einer Fernseh-Dancing-Competition. Das konservative Österreich ist ja so liberal. So offen, so tolerant.
Ein Mann in Frauenkleidern gewinnt ein Wettsingen, der Kontinent lobt und applaudiert, und Österreich hat's ja eh schon immer gewusst (nachdem der Herr in den Vorjahren ausgebuht und beflegelt wurde). Ist die Schlacht geschlagen, sind wir scheinbar immer die Guten nachher; das Opfer, die Toleranten. Wir sind so tolerant, dass zur Zeit wieder und wiederholt Denkmäler und Mahnmale beschmiert werden. Dass eher ein Aufschrei durch die Menge geht, wenn ein nacktes Zwitterwesen abgebildet wird, als wenn Rechtsaußen geschlossenen Schritts auf die Straße oder aufs Tanzparkett marschiert.

Wie sag ich's meinem Kinde?
Ganz einfach. Jede/r ist anders. Jeder hat ein anderes Gesicht, manchmal hat wer sogar 6 Finger, ich selber hab weder Stirnhöhlen noch Weisheitszähne, manchmal hat eine Frau auch einen Zipfel, oft lassen sich Frauen Gummi in den Busen operieren, und manchmal wollen Männer das eben auch. Wenn's ihnen dabei gut geht und sie damit niemand weh tun, stört's doch niemand. Oder? Stört's dich? Tut's dir weh? Ändert das jetzt was für dich zum Schlechten? Kann's uns dann nicht einfach wurscht sein?

Wenn Männer keine Kleider tragen "dürfen" (wo steht das überhaupt): Dürfen dann Frauen auch keine Hosen mehr anziehen? (Selbst erlebt in einer renommierten Wiener Bank, in der Frauen in Beinkleidern nicht erwünscht sind.) Dürfen sich Männer dann auch nicht mehr rasieren? Muss jeder so sein wie er geboren ist? Soll doch jeder sein und machen wie er will. Wenn's niemand weh tut...
Ich fühl mich und meine Familie keineswegs bedroht von einem Stück Papier, sondern eher von lebensfeindlichen Ansichten in einem Ignorantenstadl, in dem mehr geht als denkbar ist – allerdings leider in die falsche, lebensverneinende Richtung.

Im Übrigen bin ich für die Neuachiffierung des Original-Sujets von 1973:

http://www.demokratiezentrum.org/wissen/bilder.html?index=872
Bzw.: Ich hab einen Busen, 
du hast einen Busen, 
warum sagen's zu dir XXX?