Samstag, 16. Mai 2015

Bratislava.

Mit der Bahn vom neuen Wiener Hauptbahnhof - alle Verwirrungen vergangenen Winter seien vergeben, auch wenn mein geographisches Gefühl noch immer irritiert, dass der Südbahnhof verschwunden ist - dauert es knapp eine Stunde zu jeder halben Stunde, Bratislava zu bereisen. Die zwei einander am Nähesten Hauptstädte.
Wir entscheiden uns für den Zug am Nebengleis, der zum Hauptbahnhof im Norden fährt. Allein darum, weil weniger Leute zusteigen, und wir so noch ein wenig Zeit übrig haben, um ein Getränk für die Reise zu kaufen.

Die Hauptstrecke liegt auf österreichischem Gebiet, und kaum passiert man die unbemerkbare Grenze, hat man das Ziel schon erreicht. So schnell konnten die Schaffner der zwei Länder gar nicht altmodisch die Fahrkarten abstempeln.
Der Hauptbahnhof hält, was das Klischee verspricht - 60er Ostblock-Design und Polizeipatrouillen begrüßen einen wortlos. Und man lernt sogleich zwei wesentliche Dinge: Beschilderungen und Wegweiser sind hier nicht so selbstverständlich. Und man spricht Slowakisch. Ausschließlich. Auch am versteckten Infopoint, an dem man sich einen groben Stadtplan erbitten kann, wird auf "English? Deutsch?" nur streng der Kopf geschüttelt. Aber die Autobusnummer wird auf den Papierrand gekritzelt, weil der sprachlose Fremdkörper nicht umherirren möchte.

So kommen wir dem Zentrum ein Stück näher, erblicken die innerstädtische Burg, und beschließen, mit dem touristischen Programm zuerst loszulegen, wenn wir schon einmal da sind. Umständlich umrunden wir den Bezirk, und fallen die Burg rückseitig an. Die Aussicht gibt einen interessanten Überblick über die Stadt, aber Touristenfallen weichen wir aus. Besonders auf unserem Weg ins Zentrum.

Eine Menge interessanter Graffitis gibt es zu sehen, und immer wieder begegnet uns ein stummes Gespenst. Jedenfalls netter anzusehen als der PoohBär. Und die Straßenbahnen bedienen das nächste Ex-Ostblock-Klischee, neben den ruinösen Fassaden und vor allem Straßenbelägen. Ab und zu gibt es auch keinerlei Abgrenzung zwischen Trottoir, Fahrbahn und Gleiskörper, und man findet sich plötzlich zwischen ein paar quietschenden, aber niemals bremsenden Straßenbahnen wieder. Touristen!!! Ampeln scheinen auch überbewertet - aber es klappt.

Noch mehr Lärm verursachen allerdings Gruppen von Jugendlichen, die trompetend und jubelnd, teils in Anzügen, durch die Stadt spazieren. Sie halten Schilder hoch und rasseln und tröten, und mir wird klar: Abschlusszeugnis! Eine Mischung aus Maturastreich und Stag-Night, sammeln sie Kleingeld für ihre Feier, und ziehen lautstark durch die Straßen. Mindestens fünf verschiedenen Grüppchen begegnen wir, aber nur eine erhält eine 2-€-Spende von mir. Weil ich in schönstem, aber dennoch unverständlichem Slowakisch angesprochen werde. Ich teste des Maturanten Englisch (wer, wenn nicht er) und bekomme bestätigt, was ich mir zusammengereimt habe.

Natürlich steckt die Innenstadt voller Touristenfallencafés, aber auch voller verschachtelter, kleiner Gässchen, und vielen Kirchen und Palais. Und noch mehr Kirchen. Elisabeth sei Dank, mehrmals und immer wieder.
Da ich dort Mittagessen möchte, wo Einheimische speisen, der Mann an meiner Seite aber nicht so überraschungsfreudig ist, dauert es bis zum Nachmittag, dass ich den Hut drauf hau und sage, Gut, gehen wir zurück ins Zentrum, in dieses eine Pub das sich schottisch nennt, und pervertieren wir das Ganze.
Den Haggis, den ich auf der Karte fand und grinsend bestelle, gibt es nur leider nicht. Nix Chieftain o' the Puddin' Race. Dafür riesige Lamm- und Känguruhburger. Bratislava as Bratislava can. Übrigens sind Getränke überaus kostengünstig - bei einem Versuch an einer anderen Stelle, an Mittagessen zu kommen (als wir schon gewählt hatten, uns dann aber mit Händen und Zetteln erklärt wurde, dass es mittags nur das eher unansprechende Mittagsmenü gäbe) leisteten wir uns unabsichtlich zumindest eine Trinkpause, und zahlten für ein Sprite, ein CokeZero (oder eher doch ein landesstämmiges Kofola?) und ein großes Bier drei Euro.
Es würde mich nicht wundern, wenn so manche Partie des Wochenendes auf Saufurlaub vorbeikommt, und finde die Zeitwahl mit dem Fenstertag gelungen.

Auf der Suche nach Restaurants und/oder Toiletten durchquerten wir so manches internationale Kleidungsgeschäft, da Einkaufszentren eher offen gestaltet sind. Dafür muss auf Toiletten bezahlt werden - damit man sich rationierte Portionen von grauem, rauen, seltsamen Geruch verströmenden Toilettenpapier abholen darf.

Pappsatt und wieder etwas beruhigter streifen wir noch einmal durch die Stadt, als mich leuchtende Augen von einer Straßenecke anstarren. Ein Jawa! Uhtidii!
Ihm folgen Stormtrooper und weitere Star Wars Charaktere, und ich befehle kurzerhand, ihnen kurzfristig zu folgen, da wir alle Zeit der Welt, und nichts Bestimmtes vor haben.
Wir folgen ihnen bis zu einem Spiele- und Comicgeschäft, an dem wir vorher schon vorbeigekommen waren. Meine Berechnung, sie könnten im naheliegenden Spital inklusive Onkologie vielleicht kranken Kindern einen Besuch abstatten, war nett gedacht aber knapp daneben.

Bratislava, wo man Känguruhfleisch in einem schottischen Pub isst, die Stormtrooper übers Platzl marschieren, - und man in Euroshops Erinnerungshäferl an die britisch-royale Hochzeit kaufen kann.
Wir machen uns auf den Weg zum Bahnhof - diesmal aber Petržalka im Süden - und ich darf endlich an einer Station die Fahrpläne studieren und eine Straßenbahn aussuchen, die uns in Richtung Bahnhof bringt. Nachdem ich mir meines Wegs schon sicher bin, plaudert uns eine ältere Dame fröhlich betreffend des Fahrplans an. Mein Slowakisch ist noch immer nicht besser.

Eigentlich müssten wir zusätzlich einen Bus über die Brücke, zum Bahnhof nehmen, aber wir versuchen es zu Fuß. Überqueren die Dunaj, scherzen darüber, stromabwärts heimzuschwimmen, und gehen an Bratislavas Ufo vorbei.
Und landen in einem Einkaufsgebiet wie der Shopping City. Aber wo ist der Bahnhof! Ein slowakisch sprechender Security (?) den wir um Rat fragen, deutet uns mit streng-ernstem Blick, ihm zu folgen. Für zehn Minuten gehen wir schweigend, weil was will man schon sagen, durchs Gelände, bis er auf eine Bushaltestelle zeigt. Mit Nummer 93 schaffen wir's dann auch.

Zurück in Wien, wo alle Schaufenster beleuchtet sind. Wo allgemein mehr Licht aufgedreht wird, und man bestrebt ist, alles piccobello und in Schuss zu halten. Wo Orientierungstafeln und Wegweiser und Beschriftungen gang und gäbe sind.
Und wo es nicht nach Ostblock riecht - nach Kohle und Benzin, so wie in Ostberlin damals. Irgendwie unnötig überkandidelt, aber wir sind halt da zu Haus.